Dir steht eine Scheidung in der Schweiz bevor? Das ist jetzt wichtig
Egal ob du die Entscheidung selbst getroffen hast oder sie dir den Boden unter den Füssen weggezogen hat: Eine Scheidung verändert alles. Emotional, organisatorisch und vor allem finanziell. Gerade in der Schweiz gibt es viele Regeln rund um Gütertrennung, Pensionskasse, Unterhalt und Steuern, die du kennen solltest, damit du keine folgenschweren Fehler machst. In diesem Artikel erfährst du, was du im Falle einer Scheidung in der Schweiz wissen und jetzt konkret tun solltest: vom Ablauf über rechtliche Grundlagen bis hin zur finanziellen Neuaufstellung nach der Trennung.
Was bedeutet eine Scheidung in der Schweiz rechtlich?
Bevor wir in die Konsequenzen einer Scheidung einsteigen, klären wir drei grundlegende Prinzipien, die in diesem Prozess wichtig sind:
Grundlage 1: Eherecht
Wie dir sicherlich bewusst ist, gehst du mit einer Ehe einen Vertrag ein - auch wenn du keinen gesonderten Ehevertrag mit deinem Partner*in vereinbart hast. Das Gesetz gibt hier klare Weisungen in Bezug auf die Aufteilung von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten, Altersvorsorge, Erbschaften und auch Scheidungen vor.
Das Gesetz basiert auf dem Grundsatz der Gleichberechtigung: Unter anderem vereinbart ihr, gemeinsam für den Unterhalt der Familie aufzukommen und gemeinsam für die Kinder zu sorgen.
Grundlage 2: Güterrecht
Bei einer Eheschliessung ohne Ehevertrag gilt in der Schweiz automatisch die Errungenschaftsbeteiligung. Diese differenziert zwischen Eigengut (alles, was du vor der Ehe besitzt - z.B. dein Depot und was an Erbe und Schenkungen auch während der Ehe dazu kommen) und Errungenschaft (alles, was du während der Ehe erwirtschaftest - z.B. dein Lohn, Vorsorgegelder oder auch Dividenden).
Bei Scheidung bleibt Eigengut Eigengut, du behältst also auf jeden Fall das, was du vor Heirat schon hattest oder auch Schenkungen und Erbschaften. Die Errungenschaft wird auf beide Parteien aufgeteilt, egal, ob eine Person mehr oder weniger am Vermögensaufbau beteiligt war. Wenn du also bspw. deutlich mehr verdienst und dadurch mehr in die Pensionskasse einzahlst, musst du deinen Ehepartner*in bei Scheidung 50% von dem eingezahlten Guthaben auszahlen bzw. es wird mit dem Guthaben deines Partners verrechnet.
💡 Tipp: Um Vermögenswerte im Scheidungsfall klar voneinander trennen zu können, ist ein Inventar hilfreich. Falls es das nicht gibt und Vermögenswerte nicht mehr klar in Eigengut oder Errungenschaft zu trennen sind, fallen sie meist in die Errungenschaft.
Solltest du keine Errungenschaftsbeteiligung wünschen oder bestimmte Vermögenswerte (wie z.B. dein Unternehmen) aus der Errungenschaft ausschliessen wollen, so benötigt ihr einen Ehevertrag. Was bei einem Ehevertrag wichtig ist und was ihr alles festhalten dürft - liest du hier.
Die eheliche Wohnung (auch Familienwohnung genannt) - wo ihr also gemeinsam lebt, esst, schlaft, euch aufhaltet - hat im Scheidungsfall ebenfalls eine grosse Bedeutung, auch wenn euch die Wohnung nicht gehört, ihr diese also nur mietet.
Solltet ihr euch scheiden lassen, so muss entschieden werden, wer in der Wohnung bleiben darf.
Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder ihr einigt euch selbst und ohne gerichtliche Prüfung oder das Gericht muss entscheiden, wer in der Wohnung bleiben darf.
Dabei schaut das Gericht auf Kriterien wie:
Wer am meisten auf die Wohnung angewiesen ist - z. B. wer dort arbeitet oder bei wem die Kinder wohnen.
Wenn das nicht klar ist, wird geprüft, wer leichter umziehen könnte (aufgrund von Alter oder Gesundheit).
Geld spielt nur eine Rolle, wenn einer der Partner*innen sich die Wohnung gar nicht leisten kann. Wenn das alles nichts bringt, erhält die Wohnung derjenige, dem sie gehört oder der das Nutzungsrecht hat.
⚠️ Wichtig in allen Grundlagen: Wenn du dir unsicher bist oder das Gefühl hast, ungerecht von deinem Ehepartner*in in der Scheidung behandelt zu werden, dann hole dir professionelle Hilfe! Hier findest du per Suche schnell einen Anwalt*in für Familienrecht in der Schweiz. Alternativ gibt es hier verschiedene Angebote in der Trennungs- und Scheidungsberatung.
Der Ablauf einer Scheidung in der Schweiz
Schritt 1: Scheidung finanziell vorbereiten
Neben den Emotionen und der finalen Entscheidung “Wir lassen uns jetzt scheiden.” spielt auch die finanzielle Vorbereitung eine Rolle im Scheidungsprozess. Denn: Eine Scheidung ist teuer und kann euch mit bis zu CHF 10’000.- zu stehen kommen. Dahinter stecken vor allem Gerichts- und Anwaltskosten. Sollte es bei euch zu finanziellen Engpässen durch diese Kosten kommen, so könnt ihr nach staatlicher Unterstützung fragen oder auch bei euren Anwält*innen ansprechen, ob ihr in Raten zahlen könnt.
Schritt 2: Scheidungsvereinbarung aufsetzen
Die Scheidungsvereinbarung detailliert die Folgen der Scheidung, auf die ihr euch geeinigt habt, in Bezug auf Auflösung des Güterstands, Teilung der Altersvorsorge, Sorgerecht der Kinder, wer die Wohnung behält, Unterhaltszahlungen etc.
Schritt 3: Scheidungsbegehren einreichen
Um euch scheiden zu lassen, müsst ihr gemeinsam das Scheidungsbegehren bei dem für euch zuständigen Gericht einreichen. Einen Grund für die Scheidung müsst ihr nicht angeben. Dem Begehren hängt eure Scheidungsvereinbarung an.
Schritt 4: Gericht prüft die Scheidungsvereinbarung
Das Gericht prüft eure Dokumente, fragt ggf. auch nach zusätzlichen Nachweisen und schaut insbesondere auf die Ausgewogenheit der Scheidungsvereinbarung. Wenn diese zu unausgewogen ist (z.B. weil du deine gesamten Rentenansprüche, die du in der Ehe erwirtschaftet hast, an deinen Partner*in abtrittst), dann wird das Scheidungsbegehren nicht durchgehen.
Ausserdem werden folgende Punkte definiert:
Teilung eurer Vermögenswerte (inkl. Vorsorgeguthaben und Immobilien)
Unterhaltszahlungen
Alimente (für den Unterhalt des Kindes)
Wenn ihr Kinder habt:
Sorgerecht (welches ihr im Normalfall beide habt)
Obhut (abwechselnd oder nur an eine Person vergeben)
Besuchsrecht (wenn keine abwechselnde Obhut vereinbart wurde).
Schritt 5: Gerichtsentscheid
Eure Scheidung tritt mit dem Gerichtsentscheid in Kraft. Wenn beide Ehepartner*innen sich einig sind, kann eine Scheidung in mehreren Monaten über die Bühne gehen. Wenn es Streitigkeiten gibt, dann kann der Prozess deutlich länger dauern.
Was du tun kannst, wenn sich dein Partner*in nicht scheiden lassen will
Du darfst dich in der Schweiz auch scheiden lassen, wenn dein Partner*in das nicht will. Dafür müsst ihr aber zwei Jahre getrennt gelebt haben. Bei schwerwiegenden Gründen (z.B. körperliche Gewalt) kann diese Frist verkürzt werden - das entscheidet das Gericht.
⚠️ Mein Rat an dich: Lasse dich in diesem Fall unbedingt VORHER professionell beraten! Warum? Ansonsten machst du vielleicht etwas, was nachher gravierende Konsequenzen für dich und deine finanzielle Situation haben könnte. Zum Beispiel: Wenn du aus der “ehelichen Wohnung” ausziehst, weil du es nicht mehr aushältst, kann es dazu führen, dass du nachher keinen Anspruch mehr hast, diese zu bewohnen, weil das Gericht davon ausgeht, dass du dir ja etwas Eigenes leisten kannst.
Folgende Anlaufstellen gibt es in der Schweiz:
https://www.familienrechtsinfo.ch/anwaltssuche/schwerpunkt-scheidung/
Wenn du dich ohne Anwalt scheiden lassen willst: https://onlinescheidung.ch/
Folgende Unterlagen können bei einem Beratungsgespräch hilfreich sein:
Übersicht beider Einkommen z.B. Lohnausweise
Übersicht des Vermögens (inkl. Eigengut und Errungenschaft und idealerweise ein Inventar)
AHV-Auszüge beider Partner*innen
PK-Auszüge beider Partner*innen.
Das ist nach der Scheidung wichtig
AHV-Splitting beantragen
Nach Rechtskraft der Scheidung solltest du einen Antrag auf AHV-Splitting stellen. Dabei werden die während der Ehe erzielten Einkommen gleichmässig auf die beiden individuellen AHV-Konten verteilt - das ist wichtig für die Rentenberechnung. Wenn Person A CHF 100’000.- verdient hat und Person B nicht gearbeitet hat, so teilt die AHV jeder Person CHF 50’000.- zu.
Zudem muss jeder Ex-Partner*in ab Scheidung eigenständig den AHV-Mindestbeitrag leisten, falls er oder sie nicht erwerbstätig ist und zuvor über den Ehepartner*in abgedeckt wurde.
Wenn du keinen Antrag auf Splitting einreichst, wird die AHV spätestens zu deinem Renteneintritt die Einkommensteilung vornehmen. Ich empfehle dir aber, das direkt nach Scheidung zu erledigen, damit es später keine Verzögerung in der Auszahlung möglicher Rentengelder gibt.
Pensionskasse aufteilen (2. Säule)
Die während der Ehe aufgebauten Pensionskassenansprüche werden hälftig geteilt (inkl. Zinsen). Veranlasse, dass der im Scheidungsurteil festgelegte Betrag vom Vorsorgekonto des einen Partner*s auf das des anderen (bzw. ein Freizügigkeitskonto) übertragen wird. Kläre ggf. direkt mit deiner Pensionskasse und Gericht, wie der genaue Ablauf ist.
Ehefrau | Ehemann | |
---|---|---|
Säule vor der Ehe | 10’000.- | 80’000.- |
Bestimmung am Tag der Einleitung des Scheidungsverfahrens | 70’000.- | 150’000.- |
Während der Ehe angesammelte Beträge | 70’000.- – 10’000.- = 60’000.- | 150’000.- – 80’000.- = 70’000.- |
Unterschiedsbetrag des BVG-Vermögens | 70’000 – 60’000 = 10’000.- | |
Ausgleich | Die Hälfte der Differenz, d. h. 10’000 : 2 = 5’000.- | 5’000.- müssen vom Vermögen des Herrn auf das Vermögen der Dame übertragen werden. |
Ausgleich des während der Ehe angesammelten BVG-Vermögens | 60’000.- + 5’000.- = 65’000.- | 70’000.- – 5’000.- = 65’000.- |