Mehr rausholen bei der Gehaltsverhandlung? So klappt’s!
Viele Frauen unterschätzen ihren Wert: Das wirkt sich direkt auf ihr Gehalt aus. Eine Gehaltsverhandlung ist kein notwendiges Übel, sondern der Schlüssel zu mehr Unabhängigkeit, Sicherheit und Selbstbestimmung. Denn: Wer nicht verhandelt, verzichtet. Lohnverhandlungen sind daher ein Muss. Wie du diese am besten meisterst und mit Vorbereitung und Strategie das Meiste für dich herausholst, erfährst du in diesem Artikel.
Inhaltsverzeichnis
Warum sich Gehaltsverhandlungen lohnen
Vorbereitung ist alles: Deine Hausaufgaben vor der Lohnverhandlung
12 Tipps für eine erfolgreiche Gehaltsverhandlung
Was tun, wenn das Gespräch nicht wie geplant verläuft?
Lohnverhandlung bei Teilzeit oder Wiedereinstieg
Neues Gehalt erreicht: Was jetzt?
Warum sich Gehaltsverhandlungen lohnen
Tatsache ist: Der Wert deiner Arbeit wird durch dein Gehalt ausgedrückt. Ein niedrigeres Gehalt ist also ein Spiegel für eine geringere Wertschätzung. Über Geld auf der Arbeit zu sprechen, ist daher unumgänglich.
Schon seit 1981 steht in der Schweizer Bundesverfassung, dass der gleiche Lohn für gleichwertige Arbeit bezahlt werden muss. Damit setzt sich der Bund aktiv für die Lohngleichheit der Geschlechter ein. Leider greift diese Massnahme zu kurz: Schweizer Frauen verdienen im Schnitt 16.2% weniger als Männer. Dieses Phänomen nennt sich Gender Pay Gap - der Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern. Sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor ist dieser in der Schweiz vorhanden.
Exkurs: Gender Pay Gap
Es wird zwischen einem erklärten und einem nicht erklärten Lohnunterschied differenziert: 51,8% des Gender Pay Gaps lassen sich erklären, also auf konkrete Gründe zurückführen, wie Job, Branche, Care-Arbeit oder Ausbildungsgrad. Der restliche, unerklärte Lohnunterschied kann auf eine “geschlechterspezifische Lohndiskrimierung” zurückgeführt werden.
Als ob das noch nicht genug wäre, liegt zusätzlich noch ein Gender Lifetime Earnings Gap vor: Analysen zeigen, dass eine Frau über ihr gesamtes Leben rund 51,5% weniger Einkommen verdient als ein Mann. Diese Zahl korreliert drastisch mit der Anzahl an Kindern. Das heisst, je mehr Kinder eine Frau hat, desto weniger Einkommen verdient sie im Laufe ihres Lebens (bis zu 68% weniger als ein Mann, wenn sie 3 oder mehr Kinder hat).
Gender Pay Gaps haben viele Gründe und einige davon liegen nicht in der Hand von Frauen. Was aber mittlerweile widerlegt wurde, ist das alte Denkmuster, dass “Frauen weniger verhandeln und deswegen schlechter bezahlt werden”. In der Studie von knapp 2.000 MBA-Absolvent*innen zwischen 2015 und 2019 kam heraus, dass sogar mehr Frauen als Männer ihr Gehaltsangebot verhandelt haben (54% vs. 44%).
Warum haben wir dann weiterhin Gender Pay Gaps? Um diese Frage umfassend zu beantworten, bräuchten wir noch einen weiteren Artikel. Was wir aber wissen ist, dass Frauen bei Gehaltsverhandlungen oft sozial bestraft werden. Eine Harvard Studie belegt, dass mit dem selbstbewussten Verhalten der Frauen in Lohnverhandlungen eine negative Bewertung eingeht. Diese Erkenntnis macht die Verhandlungen nicht einfacher. Sie zeigt jedoch, wie wichtig ein Umdenken in dem Bereich nötig ist.
Vorbereitung ist alles: Deine Hausaufgaben vor der Lohnverhandlung
Mit der richtigen Vorbereitung legst du den Grundstein für deinen Verhandlungserfolg.
Allen voran ist es essentiell, dass du dein Humankapital auf- und kontinuierlich ausbaust. Was meine ich damit? Wenn du im Laufe deiner Karriere kontinuierlich neue Fähigkeiten erwirbst, erhöhst du stetig dein Humankapital und in Konsequenz auch deinen Wert. Jedes Projekt, auch nebenberuflich oder freiberuflich, entwickelt dich weiter. Je mehr du dazu lernst, entweder durch eine Weiterbildung oder auch “learning by doing” in deiner aktuellen Arbeitsstelle, desto höher sind deine Chancen auf ein besseres Gehalt. Laut einer grossen McKinsey-Studie sind Rollenwechsel mit einem grossen Sprung (z. B. Wechsel in ein neues Funktionsgebiet oder mehr Verantwortung) besonders wertvoll: Sie führen zu grösseren Lohnsteigerungen, da hierbei viele neue Fähigkeiten erworben oder angewendet werden.
Dokumentiere deswegen regelmässig deine eigenen Leistungen und reflektiere diese regelmässig. Der Fokus sollte dabei auf der eigenen Lernkurve und deinem individuellen Humankapital liegen.
💡 Tipp: Lege dir ein Dokument oder Ordner auf deinem Computer an, in dem du jede Art von positivem Feedback deiner Vorgesetzten oder Kolleg*innen ablegst. Das kann ein Screenshot von einer E-Mail sein oder mündliches Lob, das du nach einer Präsentation erhalten hast.
Exkurs: Mindset
Wenn du mit dem Begriff “dich selbst verkaufen” haderst und vielleicht eher denkst, dass deine Führungskraft doch deinen Wert und deine harte Arbeit sehen soll - dann muss ich dich leider enttäuschen. Eine Führungskraft zu haben, die deine Ziele für dich durchboxt und dir alles auf dem Silbertablett serviert, ist leider wie ein 6er im Lotto.
Also: Warte nicht darauf, dass jemand deinen Wert und dein Potenzial sieht und anerkennt, sondern nimm’ deine Karriere in deine Hände und kommuniziere, was du für wen wie erfolgreich tust.
Kommuniziere klar, was deine Ambitionen und Ziele sind. Was willst du innerhalb des Unternehmens erreichen? Dann kannst du mit deiner Führungskraft besprechen, wie der Weg dahin aussehen kann, was du dafür tun und können musst. Bleibe dann am Ball und checke regelmässig mit deiner Führungskraft ein, um zu sehen, ob du “on track” bist oder was du besser machen könntest.
Stelle sicher, dass deine Leistungen darauf abzielen, wirtschaftlich produktiv zu handeln. Internes Networking kann ebenfalls eine grosse Rolle spielen, dadurch machst du dich im Unternehmen sichtbar und stärkst deine eigene Position. Um aufzusteigen, ist es hilfreich, ein solides Self Branding zu betreiben. Vor allem als Frau solltest du ein Augenmerk darauf legen, den eigenen Mehrwert in deinem Unternehmen sichtbar zu machen - damit sich dein Mehrwert nachher auch in der Lohnverhandlung widerspiegelt.
Warum ist das wichtig? Gerade in grossen Unternehmen gibt es in der Führungsebene immer wieder Diskussionen über Personen, die befördert werden. Hier braucht deine direkte Führungskraft eine gute Argumentation, warum du für die Beförderung geeignet bist.
Führungskräfte denken in Budgets, Unternehmenszielen und Teamdynamik. Wer vorbereitet ist, mit Zahlen, Wirkung und Entwicklungspotenzial überzeugt, erleichtert es der Führungskraft, „Ja“ zu sagen oder bei der nächsten Budgetrunde intern für dich zu kämpfen.
Idealerweise kennt dich auch die Führungsebene über deine Führungskraft (die “Chef-Chefs”) und hat schon einmal von dir gehört.
Daneben ist es von zentraler Bedeutung, dass du deinen eigenen Marktwert ausserhalb des Unternehmens kennst. Recherchiere branchenübliche Gehälter z.B. kununu oder Glassdoor und schaffe dir einen Überblick auf ähnliche Stellen und ihre Bezahlungen.
💡 Tipp: Nutze Anfragen bei LinkedIn, um Einblicke in verschiedene Gehaltsspektren zu bekommen.
Auch hier ist Networking wichtig: Gerade wenn du einen neuen Job suchst, kann dir dein Netzwerk immens helfen! Verknüpfe dich regelmässig mit Personen aus deiner Branche über LinkedIn und nimm’ auch Anfragen von Headhuntern an. Du weisst nie, was sich daraus entwickeln kann. Optimiere dafür dein LinkedIn-Profil (denke an Schlagwörter, die Recruiter eingeben würden) und teile auch Beiträge zu Themen, die für dich und deine Branche relevant sind.
Teil der Vorbereitung ist ausserdem den richtigen Zeitpunkt für das Gespräch zu wählen. In einigen Unternehmen gibt es jährliche Gespräche für Mitarbeitende, die als Ausgangspunkt dienen können. Wenn deine Lohnverhandlung mit einem Jobwechsel einhergeht, dann ist es sinnvoll, direkt von Anfang zu verhandeln und eine gute Basis zu schaffen. Laut einer deutschen Studie verdienen Berufstätige in einem neuen Job ca. 30%, teilweise sogar bis zu 46% mehr! Spätere Nachverhandlungen sind meist schwieriger.
12 Tipps für eine erfolgreiche Gehaltsverhandlung
Vor der Gehaltsverhandlung
Klare Ziele setzen: Überlege dir vor dem Gespräch sehr genau, was deine Erwartungen sind. Was möchtest du erreichen? Wie viel möchtest du verdienen? Was ist dein Minimum? Nur wenn du dir deinen eigenen Zielen bewusst bist, kannst du sicher auftreten und für dich selbst einstehen.
Spielraum einkalkulieren: Dein angegebenes Gehalt sollte höher sein, als das eigentlich gewünschte. Das gibt dir Raum zur Verhandlung und führt dich zu deinem eigentlichen Ziel. Addiere ungefähr 5% bis 10% zu deinem Wunschgehalt, damit es realistisch bleibt und fair ist.
Nicht nur aufs Gehalt fokussieren: Abgesehen von deiner Gehaltserhöhung solltest du im Gespräch auch auf andere Themen eingehen. Benefits, Weiterbildungen, einmalige Boni oder eine Beförderung können ebenfalls wertvoll für deine Karriere sein. Mache dir vor der Lohnverhandlung eine “Wunschliste”.
Gespräche üben: Übung macht die Meisterin! Dieser Punkt gehört zu einem der wichtigsten Aspekte in deiner Vorbereitung. Übe das Gespräch mehrmals alleine und spiele es zum Beispiel mit einer Freundin durch.
💡 Tipp: Auch ChatGPT kann hier ein guter Sparringspartner für deine Argumentation sein.
Auf Gegenargumente vorbereitet sein: Im Idealfall verläuft das Gespräch reibungslos, aber es ist gut möglich, dass dein*e Chef*in zunächst nicht auf deine Forderungen eingeht. Bleibe in diesem Fall ruhig und antworte sachlich. Verweise immer wieder auf konkrete Situationen, die du gemeistert hast und Erfolge, die du nachweisen kannst. Überlege dir im Vorhinein, welche “Nein’s” dein Gegenüber dir entgegenbringen könnte:
“Wir haben leider aktuell kein Budget”
“Ich bin mir nicht sicher, ob du schon bereit bist.”
“Aktuell ist einfach nicht der richtige Zeitpunkt”.
So kannst du die grössten Argumenten direkt vorbereiten und dann im Gespräch entkräften.
💡 Tipp: ChatGPT hilft dir hier ebenso, Argumente zu entkräften und zu deinen Gunsten zu drehen.
Während der Gehaltsverhandlung
Körpersprache und Auftreten: Abgesehen von dem was du sagst, wirkt sich dein Auftritt und deine Körpersprache stark auf deine*n Gesprächspartner*in aus. Laut der 55-38-7-Regel zählen deine gesagten Worte nur zu 7% ins Gewicht; 55% ist deine Körpersprache und 38% der Stimme. Merke also: Eine gerade Körperhaltung, klare Stimme, Blickkontakt und ruhige Gesten fallen extrem ins Gewicht.
Zahl nennen, nicht fragen: Oft neigen wir Frauen dazu, in der Gehaltsverhandlung unsere Führungskräfte zu fragen, wie eine Erhöhung aussehen könnte. Das wirkt unsicher und wir geben auf diese Weise die Kontrolle ab. Ich empfehle dir daher, die gewünschte Erhöhung selbst anzusprechen (natürlich gut verargumentiert) und so die Verhandlungsmacht nicht abzugeben.
Sachlich bleiben: Du musst dich nicht für deine Forderungen rechtfertigen oder sogar entschuldigen. Kommuniziere souverän und sachlich. Vermeide gefühlvolle Sprache und bleibe auch in hitzigen Situationen professionell. Wenn du merkst, dass eine Situation sich zu sehr aufkocht, dann bitte lieber um Bedenkzeit und einen neuen Termin.
Nutze Formulierungen wie …
„Ich habe im letzten Jahr die Kundenzufriedenheit um 12% gesteigert - das sollte sich auch im Gehalt widerspiegeln.“
„Mein Marktwert liegt laut XYZ bei XY CHF - darauf würde ich mich gerne beziehen.“
„Was sind die nächsten Schritte, damit wir mein Gehalt anpassen können?“
Konkrete Erfolge nennen: Zeige konkret auf, dass du einen Mehrwert für das Unternehmen geschaffen hast und welche Leistungen du erbracht hast. Werde hier so spezifisch wie möglich:
Wie viel Umsatz hast du generiert?
Welche (andere) KPI konntest du positiv beeinflussen?
Konntest du die Kundenzufriedenheit anheben?
Dann erschliesst sich auch deinen Vorgesetzten, warum sie dein Gehalt anheben sollten und sie können sich mental ausrechnen, was sie von den Mehrkosten haben.
Nicht defensiv verhandeln: Frauen verhandeln oft zu defensiv und versuchen harmonisch zu kommunizieren. Das kannst du ändern. Mache dir deutlich, dass die Gehaltsverhandlung dein Recht ist und genau wie deine (männlichen) Kolleg*innen verdienst du eine faire Bezahlung. Steh’ dafür ein! Vielleicht hilft es dir, dir vorzustellen, wie ganz viele andere Frauen hinter dir stehen, dich anfeuern und sich freuen, dass du einen Schritt weiter Richtung Gleichberechtigung für alle gehst.
Nach der Gehaltsverhandlung
Stillstand ist Rückschritt: Wenn du die gewünschte Gehaltserhöhung schliesslich bekommen hast, dann sollte das definitiv nicht das letzte Gespräch gewesen sein. Fordere aktiv Feedbackgespräche und regelmässige Anpassungen an.
Nachfassen, wenn es nicht sofort klappt: Natürlich kann dein*e Chef*in sich trotz allem gegen die Gehaltserhöhung entscheiden. Nehme dies nicht als Misserfolg wahr, sondern bleibe aktiv. Vereinbare ein Folgegespräch und bleibe klar in deinen Vorstellungen.
Was tun, wenn das Gespräch nicht wie geplant verläuft?
Selbst bei einer perfekten Vorbereitung und Durchführung einer Lohnverhandlung kann es sein, dass du deine Ziele nicht erreichst. Wenn deine Führungskraft deine Forderungen ablehnt, heisst es, Ruhe zu bewahren und die Gründe zu erforschen. Liegt eine generelle Budgetsperre vor? Hast du deine persönlichen Ziele nicht erreicht? Versuche in diesem Szenario nicht aus deiner Rolle zu fahren, sondern höre aufmerksam zu. Vereinbare dann direkt eine Nachverhandlung für in ein paar Monaten. Halte mit deiner Führungskraft im besten Falle auch konkrete To Do’s und Entwicklungen fest, die du bis dahin erreichen solltest.
Lohnverhandlung bei Teilzeit oder Wiedereinstieg
Wenn du in Teilzeit arbeitest oder z.B. nach einer Geburt wieder in den Job einsteigst, kann schnell das Gefühl hochkommen, dass du in der Schuld des Unternehmens stehst. Gedanken wie “Zum Glück ermöglichen sie mir das.” oder “Mein Arbeitgeber ist so flexibel!” sind verständlich, aber nicht hilfreich. Denn auch bei einer Teilzeitstelle leistet du in deiner Arbeitszeit 100% und auch wenn du wieder einsteigst, verdienst du ein marktgerechtes Gehalt. Genau wie deine vollzeittätigen Kolleg*innen hast du ein Recht auf eine Verhandlung und solltest dieses wahrnehmen.
Neues Gehalt erreicht - was jetzt?
Wenn du dein neues Wunschgehalt, Beförderung oder andere Forderung erhalten hast: Herzlichen Glückwunsch, du kannst super stolz auf dich sein! Vielleicht möchtest du dich für diesen Erfolg in Form einer neuen Handtasche belohnen oder die Lohndifferenz in ein neues Auto stecken. Natürlich sollst du diesen Erfolg feiern, aber ich wäre nicht Finanzplanerin, wenn ich dir nicht ans Herz legen würde, dein mehr verdientes Geld sinnvoll einzusetzen.
Anstatt ab jetzt monatlich mehr für Ausgehen, Urlaub und Hobbies auszugehen, wie wäre es, wenn du die Differenz für deine Steuern zur Seite legst oder in ETFs anlegst? Wenn du noch gar nicht investierst, empfehle ich dir meinen Investieren-Anfängerguide. Dort erkläre ich dir Schritt für Schritt, wie du damit starten kannst. Oder du lädst dir den Finelles Finanzboost herunter, der dich perfekt auf dein erstes Investment vorbereitet:
Fazit: Selbstbewusst in die nächste Gehaltsrunde
Ich rate dir: Sieh’ Lohnverhandlungen vor allem als eine Chance, den Wert deiner Arbeit durch ein angemessenes Gehalt sichtbar zu machen. Es ist deine Möglichkeit für dich einzustehen und selbstbewusst deine Leistungen zu präsentieren. Nur wenn du dich diesen „unangenehmen“ Gesprächen stellst und diese immer wieder übst, kannst du langfristig eine faire, selbstbestimmte Karriere gestalten.
Und: Weniger Gehalt heute bedeutet auch weniger Rente morgen. Gerade wenn du häufiger in Teilzeit arbeitest oder viel Familienverantwortung übernimmst, bist du finanziell besonders abhängig von deiner Verhandlungskraft. Nutze sie!